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Statement zur 7. Sitzung des Österreich-Konvents. 26. Jänner 2004

hier als (pdf) ladbar, vergleiche auch www.konvent.gv.at


Sehr geehrter Herr Vorsitzender !
Sehr geehrte Damen und Herren !


Vorerst vielen Dank für die Möglichkeit die Positionen von EFFE-Österreich, dem Europäischen Forum für Freiheit im Bildungswesen, welches in Österreich die Waldorf-, Montessori- und Alternativschulen vertritt, dem Konvent vorstellen zu dürfen.


Die Ausgangssituation:

In der UNO-Menschenrechtsdeklaration vom 10. Dezember 1948 ist unter Artikel 26, Ziffer 1 folgendes niedergelegt:
"Jeder hat das Recht auf Bildung. Die Bildung ist unentgeltlich, zum mindesten der Grundschulunterricht und die grundlegende Bildung."

Unter Ziffer 3 wird festgestellt:
"Die Eltern haben ein vorrangiges Recht, die Art der Bildung zu wählen, die ihren Kindern zuteil werden soll."

In der Europäischen Menschenrechtskonvention wird im Artikel 2 des 1. Zusatzprotokoll vom 20. März 1952 folgendes garantiert:

Das Recht auf Bildung darf niemandem verwehrt werden. Der Staat hat bei Ausübung der von ihm auf dem Gebiete der Erziehung und des Unterrichts übernommenen Aufgaben das Recht der Eltern zu achten, die Erziehung und den Unterricht entsprechend ihren religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen sicherzustellen.

Im aktuellen Entwurf zu einer europäischen Verfassung wird im Artikel 14 folgendes niedergelegt:

  1. Jede Person hat das Recht auf Bildung sowie auf Zugang zur beruflichen Ausbildung und Weiterbildung.
  2. Dieses Recht umfasst die Möglichkeit, unentgeltlich am Pflichtschulunterricht teilzunehmen.
  3. Die Freiheit zur Gründung von Lehranstalten unter Achtung der demokratischen Grundsätze sowie das Recht der Eltern, die Erziehung und den Unterricht ihrer Kinder entsprechend ihren eigenen religiösen, weltanschaulichen und erzieherischen Überzeugungen sicherzustellen, werden nach den einzelstaatlichen Gesetzen geachtet, welche ihre Ausübung regeln.
Zusammengefasst bedeutet dies zweierlei - und dies sind auch die Forderungen für die EFFE-Österreich einsteht:
  1. Alle Eltern haben das Recht die Art der Bildung für ihre Kinder selbst zu wählen


  2. und

  3. Es ist Aufgabe des Staates - unabhängig von der Wahl des Bildungsweges - seinen Kindern die Bildung unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.

Die Situation ist Österreich

entspricht diesen klar definierten Menschenrechten in der Praxis aktuell nicht:

Zum einen ist die Wahl der Bildung stark eingeschränkt, da das Curriculum der öffentlichen Schulen als Maßstab für alle anderen Bildungswege festgelegt ist:

Entweder muss jedes Kind, welches anderen Bildungswegen folgt, am Ende jedes Jahres
  • eine Externistenprüfung nach den Kriterien des öffentlichen Schulwesens ablegen,

  • oder
  • das Kind geht in eine Schule, deren Lehrplan als dem öffentlichen Curriculum gleichwertig erkannt wurde.
Dies bedeutet folgerichtig, dass Eltern nicht das Bildungsziel sondern höchstens einen Bildungsweg, der aber auf das staatlich vorgeschriebene Bildungsziel hinführt muss, wählen kann.

Das ist keine wahre Freiheit der Wahl.

Aktuell wird die Bewertung der Gleichwertigkeit der Lehrpläne recht liberal gehandhabt - ein Danke an dieser Stelle an die zuständigen Stellen des Bildungsministeriums.
Es besteht jedoch - solange der rechtliche Anspruch auf einen eigenen Bildungsweg nicht verankert ist - die permanente Gefahr, dass Vorgaben und Vorschriften durch die staatliche Bildungspolitik - und sei es durch eine falschverstandene Evaluation am Kriterium eines staatlichen Curriculums - alle Freiheit der Wahl mit einem Schlag zunichte machen.

Als zweiter Punkt zur aktuellen Situation ist anzuführen, dass das Recht auf Kostenfreiheit der Bildung bei freier Wahl des Bildungsweges in keiner Weise gegeben ist: Vielmehr verhindern oft die Kosten, die bei einer freien Wahl des Bildungswegs entstehen, die freie Entscheidung für den eigenen Weg.

Konkret bedeutet dies, dass in Schulen in freier Trägerschaft in der Regel 90 Prozent der Kosten durch die Eltern selbst bestritten werden. Eine Ausnahme bilden hier - in Umkehrung der Relation - die Schulen in konfessioneller Trägerschaft, denen seitens des Staates über Personalsubvention 80 bis 90% der Aufwände ersetzt werden.

Als Vertreter der nichtkonfessionellen Schulen in freier Trägerschaft - also der Waldorf-, der Montessori- und Alternativschulen Österreichs komme ich nicht umhin feststellen, dass Eltern in unseren Schulen doppelt belastet sind:

Sie müssen einerseits für den Erhalt und Betrieb ihrer Schulen finanziell und mit Arbeitsleistung aufkommen UND gleichzeitig über die Steuerlast auch das öffentliche und private Schulsystem mitfinanzieren.
Das ist eine - für alle einsichtig - zutiefst ungerechte Situation, die allen - den bereits beschlossenen wie den geplanten - Menschenrechtskonventionen zur Bildung hohnspricht.


Die Anregungen und Forderungen von EFFE-Österreich

an den Österreich-Konvent für die Berücksichtigung in der österreichischen Verfassung sind sinngemäß folgende - und ich bitte hier gleich um Verständnis für die Vergröberung in der Ausführung, die in der sehr kurzen Redezeit begründet ist:

  1. Die Bildungsfreiheit, die Wahl eines eigenen Bildungsweges muss gesichert werden: Seitens des Staates dürfen keine einschränkenden - und seien es noch so gut gemeinte pädagogische Vorgaben gemacht werden, die die freie Wahl des Bildungsweges einschränken: Eine prinzipielle Normierung an einem staatlich festgelegtem Curriculum darf nicht sein.
  2. Die freie Wahl des Bildungsweges muss nicht nur theoretisch sondern muss auch faktisch für alle möglich sein - hier ist gleichzeitig auch Fairness für alle SchülerInnen an freien Schulen gefordert: Es darf nicht sein, dass es Eltern mehrere tausend Euro pro Jahr und viele Stunden unentgeltlicher Arbeit zusätzlich kostet ihr Kind an einem Bildungsweg der eigenen Wahl teilnehmen zu lassen. Der Anspruch auf unentgeltlichen Bildungszugang bei freier Wahl des Bildungsweges muss in der Verfassung verankert sein.
Es ist unsere feste Überzeugung, dass es sich
  • einerseits Österreich nicht leisten kann, grundlegende Menschenrechte zu ignorieren

  • und
  • andererseits - wie sich an den Beispielen, wo unsere Schulen als Impulsgeber fungieren, zeigt - dass Österreich mit der gesamten Bildungslandschaft und all seinen Menschen von einem offenen und vielfältigem Zugang zu Bildung und Schule unendlich viel profitieren kann.

Wir haben hier den glücklichen Umstand am Beginn einer klassischen WIN-WIN-Situation zu stehen, an der wir alle nur profitieren können. Bitte helfen Sie diese Chance zu ergreifen !


Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

Ernst C. Zach
26.01.2004
Version: 26.01.2004 (EcZ)