NETZWERK-BUNDESDACHVERBAND FÜR SELBSTBESTIMMTES LERNEN

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Begleitung

statt

Externistenprüfung -

ein

Vorschlag

(für Schulinitiativen des Netzwerkes)

ein Arbeitspapier

des Arbeitskreises „Prüfungen" des Netzwerks

(Stand: 17. Jänner 2000)

Kontakt:

Mag. Ernst C. Zach

3034 Burgstall 44

tel+fax: 02772-53735

email: ernst@mein.net

http://www.mein.net/schule/extern.htm

Inhalt:

1. Ausgangssituation

2. Erste Gedanken, Schritte

3. Lösungsansatz

4. Statements

Begleitung statt Externistenprüfung (Arbeitspapier vom 17.1.2000) -


1. Ausgangssituation

In den mittlerweile 20 Jahren, in denen unsere Bewegung Lernen und Schule außerhalb des öffentlichen Schulsystems auf neuen Wegen organisiert, begleitet das Problem der jährlichen Externistenprüfungen die Arbeit der Kinder, LehrerInnen und Eltern. Betroffen sind all jene Initiativen, die nicht das Öffentlichkeitsrecht und die Eignung zur Erfüllung der Schulpflicht erreicht haben oder anstreben. Und das ist noch immer die Mehrzahl.

Geregelt werden diese Prüfungen aktuell durch die Externistenprüfungs-Verordnung (BGBl.362/1979) auf Basis des § 42 des Schulunterrichtsgesetzes BGBl.472/1986).

Die Probleme, die sich aus dieser Gesetzeslage ergeben, sind folgende:

• Punktuelle Überprüfung am Ende eines Schuljahres, wodurch eine massive Belastung für alle Beteiligten bei relativ geringer Aussagekraft der Prüfungsergebnisse entsteht;

• Überprüfung der Leistungen am Lehrplan der öffentlichen Schulen - einem Lehrplan, der den Schulinitiativen durchgängig nicht oder sehr schlecht entspricht;

• Überprüfung der Leistungen mit Methoden aus dem öffentlichen Schulsystem, die der Arbeitsweise der Schulinitiativen und der Vorbereitung der Kinder nicht entsprechen;

• Der Zwang zum positiven Abschluss: Bei negativem Prüfungsabschluss sieht das Schulpflichtgesetz §11 Abs.4 die zwangsweise Einschulung ins öffentliche Schulsystem vor.

Begleitung statt Externistenprüfung (Arbeitspapier vom 17.1.2000) -


Aus dieser Situation ergibt sich die belastende Konsequenz, dass Schulinitiativen einen guten Teil ihrer Energie der Vorbereitung und Organisation der jährlichen Prüfungen widmen müssen.

Dies bedeutet:

Eine Prüfungsschule muss gefunden werden, in der sowohl LehrerInnen als auch die Direktion Verständnis für die Arbeitsweise und die spezifische Zwangssituation der Schulinitiativen aufbringen.

Hier sind LehrerInnen gefragt, die über die Arbeit in Schulinitiativen Bescheid wissen, Sympathie für deren Vorgehensweise haben und so mutig sind, dass sie es auf sich nehmen, die Arbeit der Schulinitiativen am Ende eines Jahres - auch gegen die Bedenken und die Unsicherheit der eigenen KollegInnenschaft und Schulbehörde - offiziell zu bestätigen.

All diese Voraussetzungen müssen zutreffen:

1. der Status als Prüfungsschule

2. über Schulinitiativen informierte, verständnisvolle und couragierte LehrerInnen

3. das Einverständnis und die Unterstützung der Direktion

Diese Kombination ist nicht sehr breit gestreut.

Dies bewirkt, dass die wenigen Prüfungschulen Österreichs, die diese Rahmenbedingungen bieten, meist von Schulinitiativen aus ganz Österreich regelrecht „gestürmt" werden.

Hieraus resultiert wiederum eine erhebliche Mehrbelastung der Prüfenden und oft Mißtrauen der vorgesetzten Schulbehörde, die die Konzentration von Prüfungen an einzelnen Schulen nicht gerne sieht (Stichwort „Prüfungstourismus").

Begleitung statt Externistenprüfung (Arbeitspapier vom 17.1.2000) -


Das Ergebnis ist, dass die Externistenprüfungen am Ende des Schuljahres für alle Beteiligten Anspannung und Mühsal bedeuten, ohne jedoch zu ihrem eigentlichen Zweck einen wesentlichen Beitrag liefern zu können - nämlich zu gewährleisten, dass den Kindern kein Schaden zugefügt wird, und sicherzustellen, dass in den unterschiedlichsten Schulinitiativen betreute Kinder nicht Rahmenbedingungen ausgesetzt sind, die ihre Entwicklung behindern oder beeinträchtigen könnten.

Allein die Externistenprüfung in ihrer aktuellen Handhabung hat hier gewichtige Probleme:

• Sie soll nach einem Kriterium überprüfen, welches in dieser Form nicht Gegenstand der Schulinitiativen ist (Lehrplan der öffentlichen Schulen).

• Sie kann einen eventuellen „Schaden" nur am Ende eines Jahres feststellen und so nicht verhindern.

• Die Externistenprüfung beurteilt einzelne Kinder und ist nicht das Instrument, die Qualität der Arbeit einer Schulinitiative zu überprüfen.

Die Situation ist also für alle Beteiligten unbefriedigend. Die Externistenprüfungsverordnung ist für Schulinitiativen ein ungeeignetes Instrument, welches nicht nur seinen eigentlichen Zweck nicht erfüllen kann, sondern vielmehr durch die daraus resultierenden Belastungen denen schadet, die sie zu schützen vorgibt: den Kindern.

Begleitung statt Externistenprüfung (Arbeitspapier vom 17.1.2000) -


2. Erste Gedanken,

Schritte

Die Externistenprüfung ist zur Überprüfung der Leistungen von SchülerInnen mit individuellem außerschulischem Bildungsweg vorgesehen und ist als Ansatz zur Begleitung und Überprüfung von Schulinitiativen ungeeignet.

Es gilt also hier neue Wege zu entwickeln. An den Anfang dieses Weges stellen wir das Statement eines profunden Kenners sowohl der Schulinitiativen als auch des öffentlichen Schulsystems:

Dr. Lothar Zangerl ist Lehrer an der Volksschule Laakirchen Süd (Oberösterreich), Doktor der Pädagogik mit Nebenfach Psychologie und langjähriger Prüfer von Schulinitiativen.

Sein Statement zeigt präzise den Ansatz, auf dem unser Papier aufbauen möchte, und weist einen Weg, den Schulbehörde und Schulinitiativen gemeinsam gehen könnten:

Dr. Lothar Zangerl:

Ein Vorschlag zum Lösen der Spannungen, die immer wieder da und dort rund um die sogenannten Externistenprüfungen bestehen.

„Es ist sinnvoll, wenn der Staat, der sich für alle Kinder verantwortlich fühlt, bei den Alternativschulen und anderen Privatinitiativen nachschaut, was da mit den Kindern gemacht wird. Es könnte ja sein, dass Kinder extrem vernachlässigt und verstümmelt werden.

Als Kontrollorgan eignen sich vor allem erfahrene Schulpraktiker mit wohlwollender Brille, Leute, die sehen, die aber auch kompetent genug sind, die eine oder andere Fehlentwicklung zu erkennen. Fehl am Platz sind solche Personen, die mit Vorurteilen vollgestopft sind und nur nach dem Haar in der Suppe suchen.

Es ist zweckmäßig, wenn - wie im Bundesgesetz vorgesehen - nicht unbedingt die Nachbarschule im Bezirk die Prüfungsschule sein muss. Viele sachfremde Motive könnten sonst die Entscheidung beeinflussen.

Begleitung statt Externistenprüfung (Arbeitspapier vom 17.1.2000) -


Die vom Staat geschickten Kontrollpersonen sollten sich in erster Linie die Erzieher, das Unterrichts- und Erziehungskonzept und die Entwicklungsbedingungen der Kinder anschauen, und nicht verpflichtet sein, die Schüler mit punktuellen Prüfungen zu kategorisieren und zu selektieren.

Personen, die vom Staat beauftragt werden, Privatinitiativen zu besuchen, sollten sich Einblick verschaffen, indem sie „ins Geschehen eintauchen", eine Zeitlang mitleben, Gespräche führen, sich die vielen sichtbaren Ergebnisse anschauen usw.

Erfahrungsgemäß wird dann so eine Person feststellen, dass 95% dieser Eltern intelligente, gebildete, engagierte und verantwortungsvolle Leute sind, die viele Opfer auf sich nehmen, um ihren Kindern gute Entwicklungsbedingungen zu schaffen.

In den wenigen Fällen, in denen festzustellen ist, dass den Kindern keine günstigen Entwicklungsbedingungen geschaffen werden, sollte nicht mit strengen Prüfungen, schlechten Noten und anderen Sanktionen eingegriffen werden, sondern mit wohlwollenden beratenden Gesprächen Hilfe versucht werden."

Begleitung statt Externistenprüfung (Arbeitspapier vom 17.1.2000) -


3. Lösungsansatz

Auf das Statement Dr. Zangerls aufbauend begann der Arbeitskreis „Prüfungen" des Netzwerks im Herbst 1998 einen Vorschlag zu entwerfen, der einerseits dem Wesen der Schulinitiativen und andererseits auch der Verantwortung des Staates für SchülerInnen dieser Schulinitiativen gerecht werden sollte. Im November 1998 wurden vom Arbeitskreis „Prüfungen" anläßlich eines österreichweiten Treffens des Netzwerks die Grundzüge des hier präsentierten Lösungsansatzes festgelegt. Im Jänner 2000 nach Einarbeitung aller eingegangenen Anregungen aus den Schulinitiativen durch den Arbeitskreis „Prüfungen" erhielt das Papier die hier vorliegende, innerhalb des Netzwerks akkordierte Form.

Dieser Vorschlag ist nicht dazu gedacht, die Externistenprüfung zu ersetzen, sondern sollte Schulinitiativen die Möglichkeit der Wahl zwischen herkömmlicher Externistenprüfung und neuer Regelung mit einem erhöhten Maß an Verpflichtung für Schulinitiativen geben.

Wesentliche, im vorliegenden Lösungsansatz verwendete Begriffe sind dabei:

• Der Schulinitiativenbeirat

• Die Liste der pädagogischen Sachverständigen für Begleitung, Betreuung und Überprüfung von Schulinitiativen

• Begleitung, Betreuung und Überprüfung der Schulinitiativen

Begleitung statt Externistenprüfung (Arbeitspapier vom 17.1.2000) -


Der

Schulinitiativenbeirat

Eine der wichtigsten Funktionen in unserem Vorschlag nimmt der „Schulinitiativenbeirat" ein. Gedacht ist hier an eine ständige Kommission am Unterrichtsministerium, deren wesentlichste Aufgabe es ist, die Ernennung der pädagogischen Sachverständigen - nach einem zu erstellenden Anforderungsprofil - durchzuführen.

Weiters wäre dieser Beirat für die Bestätigung eines Kriterienkataloges zuständig, der als Richtschnur für die Begleitung, Betreuung und Überprüfung der Schulinitiativen dienen könnte.

Folgende Bereiche sollten im Schulinitiativenbeirat vertreten sein:

• VertreterInnen der pädagogischen Wissenschaft mit speziellem Interesse am Alternativschulwesen

• VertreterInnen des Bundesministeriums für Unterricht

• VertreterInnen der Schulbehörden (Landesschulrat, Bezirksschulrat)

• LehrerInnen aus dem öffentlichen Schulsystem

• LehrerInnen aus dem Bereich der Schulinitiativen

• VertreterInnen des „Netzwerks - Bundesdachverband für selbstbestimmtes Lernen"

• SchülerInnenvertreterInnen aus dem Bereich der Schulinitiativen

Generell sollten sich in diesem Beirat ExpertInnen und Kundige der Schulinitiativen aus allen oben angeführten Bereichen zusammenfinden.

Begleitung statt Externistenprüfung (Arbeitspapier vom 17.1.2000) -


Die Liste der pädagogischen Sachverständigen für Begleitung, Betreuung und Überprüfung von Schulinitiativen

ExpertInnen für die Betreuung von Schulinitiativen können auf ihren Antrag und nach Behandlung des Antrags im Schulinitiativenbeirat in die „Liste der pädagogischen Sachverständigen für Begleitung, Betreuung und Überprüfung von Schulinitiativen" aufgenommen werden.

Die Führung und Verwaltung der Liste könnte das „Netzwerk" im Auftrag des Schulinitiativenbeirats übernehmen.

An der neuen Regelung interessierte Initiativen könnten aus der Liste ExpertInnen auswählen und mit diesen Kontakt aufnehmen. Die Kontaktnahme und die Vereinbarung zur Betreuung der Schulinitiative sollte rechtzeitig vor Beginn des betroffenen Schuljahres erfolgen.

Begleitung statt Externistenprüfung (Arbeitspapier vom 17.1.2000) -


Begleitung, Betreuung und Überprüfung der Schulinitiativen

Die hier vorgeschlagene Regelung sieht eine über das Schuljahr hinweg vorgenommene Begleitung, Betreuung und Überprüfung der Schulinitiativen vor. Ein regelmäßiger Kontakt entspricht sowohl dem Interesse der Schulbehörde als auch den Gegebenheiten der Schulinitiativen deutlich besser als eine punktuelle Überprüfung der SchülerInnen am Ende des Jahres.

Jede Schulinitiative sollte also in angemessener Zeit vor dem Beginn eines neuen Schuljahres die Möglichkeit bekommen, sich - anstatt für eine herkömmliche Externistenprüfung - für diese neue Regelung zu entscheiden. Dies müsste unter Namhaftmachung eines/r Sachverständigen vor Beginn des Schuljahres der Schulbehörde mitgeteilt werden.

Die Sachverständigen sollten über das Jahr hinweg die Arbeit der Schulinitiativen begleitend betreuen und somit sicherstellen, dass auf die Bedürfnisse der SchülerInnen, entsprechend dem für die Schule/Schulinitiative gültigen Lehrplan, eingegangen wird und entsprechende Rahmenbedingungen für einen adäquaten Unterricht bestehen.

Am Ende des Jahres wäre es Aufgabe des/r Experten/in festzustellen, ob in der Schulinitiative im abgelaufenen Schuljahr die Schulpflicht erfüllt werden konnte.

Begleitung statt Externistenprüfung (Arbeitspapier vom 17.1.2000) -


Abschließende

Bemerkung

Der vorliegende Vorschlag ist als Startpunkt für eine gemeinsame Anstrengung zur Neuregelung einer bis dato für alle Beteiligten eher unbefriedigenden Situation gedacht.

Vieles gehört hier genauer ausgearbeitet: Die rechtliche Basis der Arbeit des Beirats und seiner Sachverständigen (z.B. als ministerielle Verordnung), die Bezahlung der Arbeit der Sachverständigen (z.B. mit einer Gebührenordnung), die Geschäftsordnung des Beirats, die Anzahl der Mitglieder im Beirat, die Bestellung des ersten Beirats und vieles mehr.

Wir hoffen jedoch, mit diesem ersten kurzen Papier den Grundgedanken skizziert zu haben:

Begleitende Betreuung, Beobachtung und Überprüfung der Schulinitiativen, die in weit höherem Maße als punktuelle Externistenprüfungen die Qualität der Arbeit in Schulinitiativen sichern helfen.

Begleitung statt Externistenprüfung (Arbeitspapier vom 17.1.2000) -