Vielfalt lohnt sich -
ein Weg für das österreichische Schulsystem
hier als (pdf) und
(doc) ladbar
"Vorteile für alle"
statt
"Diskriminierung der Schulen in freier Trägerschaft"
Die Ausgangssituation:
Unsere Welt ist zunehmend eine Welt des permanenten Wandels.
Wissen und Fähigkeiten sind stark betroffen, die Halbwertszeit
des Gelernten wird immer geringer, Fähigkeiten wie Flexibilität,
Selbstorganisation, Kooperationstalent und selbstbewusstes
Auftreten gewinnen immer stärker an Bedeutung.
Die Schule ist hiervon massiv getroffen: Lehrpläne und Lehrer-
wissen müssen stetig adaptiert werden, der Lebenswirklichkeit
angepasst werden. Die Gefahr hierbei:
Durch erhöhte Anstrengung, durch ein Mehr an Einsatz, Zeit und
Energie aller Beteiligten, wird versucht ein Mehr an
Faktenwissen zu vermitteln.
Trotz dieser Anstrengung ist aber viel des so gewonnenen
"Wissens" - soferne nicht schon kurz nach der Schularbeit
verloren - bereits obsolet, bevor das Kind die Schule verlassen
hat. Gleichzeitig wird die Zeit, die für "soziale Kompetenzen",
wirkliches "Begreifen" von Zusammenhängen und "individuelles
Erarbeiten" von gewählten Interessen zur Verfügung steht,
reduziert.
Veränderungsbedarf
All dies ist bekannt: die Schule hat Veränderungsbedarf. Es gilt
Abschied zu nehmen von der Vermittlung "lexikalischen" Wissens
und sich hinzuwenden zu einer "prozeduralen" Befähigung der
SchülerInnen. Gefragt sind weniger anekdotenhafte
Wissensspeicher la Millionenshow, als vielmehr Menschen, die -
vor einem neuen Problem stehend - dieses kompetent und
zielstrebig einer Lösung zuführen.
Das Problem dabei: Arbeitsstile und Herangehensweisen sind so
individuell wie die Menschen selber und lassen sich nicht
"auswendig" lernen.
Vielfalt ist hier gefragt und eine am Individuum orientierte
Erarbeitung von Arbeitsstilen an praktischen Beispielen.
Veränderung in Österreich
Veränderung und Vielfalt werden von der Schule erwartet - zwei
Bereiche, die der öffentlichen Schule in altösterreichischer
Tradition nicht leicht fallen. Trotz vieler Schulversuche fällt
es ihr schwer der benötigte "Tummelplatz neuer Ideen" zu
werden.
Veränderungen werden meist von außen angestoßen und haben
oft erst dann eine Überlebenschance in der Wirklichkeit der
öffentlichen Schule.
In Österreich nehmen vielerorts die Schulen in freier
Trägerschaft die notwendige Veränderungsfunktion wahr:
Alternativschulen, Montessorischulen und Waldorfschulen leben
und erarbeiten Konzepte, die - wenn sie übertragbar sind - oft
in einer "light"- Version auch ihren Platz in öffentlichen
Schulen finden.
Wenn es ums Leben und Erarbeiten neuer Konzepte geht, haben die
Schulen in freier Trägerschaft große Vorteile: Meist schlank in
ihrer Strukur und relativ autonom zur staatlichen Schulaufsicht
finden sich hier Eltern, LehrerInnen und SchülerInnen, die in
ihrer prinzipellen Herangehensweise an Pädagogik sich weit mehr
ähneln, als es in einer öffentlichen Schule - deren
Zusammensetzung sich ja zumeist durch ihren Standort definiert -
je möglich sein kann.
In diesen Schulen werden innovative pädagogische Überlegungen
und Projekte mit einer Selbstverständlichkeit durchgeführt, die
die öffentliche Schule aufgrund ihrer Zusammensetzung nicht
erreichen kann. Erst wenn pädagogische Vorstellungen praktisch
durchgeführt und erprobt sind, ist es der öffentlichen Schule
möglich diese schrittweise in ihrer Unterrichtswirklichkeit
durchzusetzen und zu integrieren.
Die Schulen in freier Trägerschaft haben in sich ein großes, das
gesamte Schulsystem befruchtendes Potential. Leider sind sie bis
dato in Österreich durch eine massive finanzielle Ungleichbe-
handlung in ihrer Entwicklung und Wirkung stark beeinträchtigt:
Während für ein Kind im öffentlichen Schulwesen pro Jahr ca. EUR
6800,- zur Verfügung stehen und für ein Kind in einer
konfessionellen Privatschule noch immer 80% dieses Betrages über
den gesetzlichen Anspruch der Personalsubvention aufgewendet
werden, erreichen Kinder aus einer Schule in freier Trägerschaft
im besten Fall 680,- Euro pro Jahr. Also maximal 10%.
Dies bedeutet, dass ein Großteil der Energie, die den Schulen in
freier Trägerschaft innewohnt für die reine Existenzsicherung
der Schulen aufgewendet werden muss und nur ein geringer Teil
der potienziell an diesen Schulen interessierten Menschen
überhaupt daran teilnehmen kann.
Moralisch jedenfalls ist diese Situation zutiefst ungerecht:
Einerseits finanzieren die Eltern aus Schulen in freier
Trägerschaft mit ihren Steuern das öffentliche Schulsystem mit.
Andererseits sind Eltern und LehrerInnen zur Selbstausbeutung
gezwungen um den Schulbetrieb der gewählten Schule überhaupt
ermöglichen zu können. Dies widerspricht eindeutig dem
Menschenrecht auf Bildungsfreiheit, nach dem alle Eltern das
Recht haben frei die Ausbildung ihres Kindes zu wählen.
Ein Lösungsansatz
Zum einen muss das österreichische Schulsystem vielfältiger,
beweglicher und lebendiger werden um sich den zunehmenden
Veränderungen besser anpassen zu können und schneller innovative
Ansätze aufnehmen zu können.
Zum anderen ist es essentiell die Schulen in freier Trägerschaft
zu stärken. Der große Vorteil hierbei: Es handelt sich hier um
eine der seltenen "win-win" Sitationen, eine Maßnahme, die
keinen Verlierer hat.
Eine Stärkung der Schulen in freier Trägerschaft erfolgt am
besten durch einen gesetzlichen Anspruch der Kinder auf
Finanzierung der Schulkosten bei Besuch einer (auch nicht-
konfessionellen) Privatschule - Stichwort "Wahlschulgutschein".
Im Ausmaß könnte diese Zahlung - wie bei den konfessionellen
Privatschulen - 80% der Aufwände des Staates für ein Schulkind
betragen und dann fällig werden, wenn ein Kind eine Schule in
freier Trägerschaft - eine Wahlschule - besucht.
Um die wertvolle Autonomie der Schulinitiativen zu wahren, muss
- im Unterschied zur aktuellen Regelung für konfessionelle
Privatschulen - die Personalhoheit bei den freien Schulen
belassen werden.
Die Vorteile: "win-win Situation"
Die finanziellen Aufwände, die bei einer Gleichstellung der
SchülerInnen aus Schulen in freier Trägerschaft anfallen würden
können als Investition angesehen werden, die sich vielfach nach
kurzer Anlaufzeit rentiert:
Durch das Engagement der Eltern und LehrerInnen in Schulen in
freier Trägerschaft wird möglich:
- Höhere Effizienz der eingesetzten Mittel: Privatschulen können
durch freiwillige Mithilfe der Eltern per se günstiger
arbeiten - mehr der aufgewendeten Mittel erreicht die
SchülerInnen im Unterricht.
- Merkbare finanzielle Ersparnisse sobald die Zahl
der Wahlschulen und ihrer SchülerInnen entsprechend anwachsen:
Der maximal mögliche Anteil an SchülerInnen in diesen Schulen
dürfte bei 5% liegen, wodurch 1% der gesamten Bildungskosten
eingespart werden könnten. Derzeit besuchen nur 0.3% der
österreichischen SchülerInnen eine Schule in freier
Trägerschaft. (Eines der vielbemühtesten Argumente gegen eine
Förderung der Schulen in freier Trägerschaft ist, dass eine
Förderung aktuell nur als Ausgabe betrachtet werden kann, da
aufgrund unserer geringen SchülerInnenanzahl keine Kosten im
öffentlichen Schulsystem "erspart" werden. Ein zwiespältiges
Argument, da es einerseits die Möglichkeit ein weiteres
Einsparungspotiential auszubilden verhindert und andererseits
falsch ist: Würden alle SchülerInnen aus nichtkonfessionellen
Schulen in freier Trägerschaft in die öffentliche Schule
wechseln, würde dies sehr wohl finanziell merkbar werden.).
- Positiver beschäftigungspolitischer Einfluss, da die
besprochenen Schulen personalintensiver arbeiten
(Betreuungsverhältnis 1:10).
- Durch bessere Möglichkeiten der Gestaltung des eigenen
pädagogischen Umfelds höhere Motivation und größere Leistung
der LehrerInnen.
Da sich die Privatschulen in freier Trägerschaft durch
gemeinsames pädagogisches Interesse definieren:
- Lebendige Entwicklung neuer pädagogischer Ansätze ohne
massive interne Widerstände, wie sie im öffentlichen Schulsystem
durch die oft heterogene Eltern/LehrerInnenzusammensetzung nicht
zu vermeiden sind.
Auswirkungen auf die öffentliche Schule:
- Eisbrecherfunktion für innovative pädagogische Ansätze im
öffentlichen Schulsystem durch positive Beispiele der
Machbarkeit der innovativen pädagogischen Ansätze.
- Mehr Möglichkeiten des pädagogischen Austauschs durch ein Mehr
an nichtkonfessionellen Privatschulen.
- Positive Konkurrenz: ohne für die öffentliche Schule eine
Bedrohung darzustellen oder darstellen zu wollen, ist eine
engagierte Schule in freier Trägerschaft eine positive
Konkurrenz für benachbarte öffentliche Schulen, da die
Leistungen und Herangehensweisen durch die Eltern
verglichen werden. Dies bewirkt, dass auch in der
öffentlichen Schule vielerlei, was sonst untergehen würde,
machbar wird.
- Alternative Angebote für LehrerInnen und SchülerInnen, die im
öffentlichen Schulsystem nicht gut aufgehoben sind.
Moralisches:
- Erfüllung des Menschenrechts auf Bildungsfreiheit
- Beseitigung einer massiven Ungleichbehandlung
- Unterstützung von Privatinitiativen
- Stärkung der Bürgergesellschaft
Beispielhaftes:
- Unsere Schulen definieren sich aufgrund eines pädagogischen
Konsensus. Denkbar ist jedoch auch eine Auswirkung auf
andere gemeinsame Interessen - z.B. eine private
Elterninitiative, die ihre von der Schließung bedrohte lokale
Schule weiterbetreiben möchte und - wenn gefördert - so die
lokale Schulversorgung weiter durchführen kann.
Zusammenfassung
Um den aktuellen und kommenden Anforderungen entsprechen zu
können muss das österreichische Schulsystem lebendiger und
vielfältiger werden. Um dies zu bewirken, wird vorgeschlagen die
Privatschulen in freier Trägerschaft zu fördern um ihren
positiven Einfluss (pädagogisch und finanziell) für das gesamte
österreichische Schulsystem nützen zu können.
Ernst C. Zach, 14.07.2003
Bund der freien Waldorfschulen in Österreich
Kuratorium für künstlerische und heilende Pädagogik
Netzwerk - Bundesdachverband für selbstbestimmtes Lernen
Österreichische Gesellschaft für Montessori-Pädagogik
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Version: 14. Juli 2003 (EcZ)
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